O F F E N E R B R I E F
an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Herrn Winfried Kretschmann sowie an die zuständigen Minister der Landesregierung
aus Anlass des drastischen Rückgangs unserer Insektenpopulationen
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Minister Hauk, sehr geehrter Herr Minister Untersteller,
wir haben mit Freude gehört, wie Sie, Herr Ministerpräsident, anlässlich des Parteitages der Grünen in Schwäbisch Gmünd am 19. November so engagierte und deutliche Worte zum Thema „Insektensterben“ gefunden haben. Dieses Problem war vor einigen Monaten in den Medien präsenter, mittlerweile ist es um das Thema wieder ziemlich still geworden. Es kann aber keinen Zweifel geben, dass das „Insektensterben“ von großer Tragweite ist, für die Landwirtschaft, für die Ökosysteme und die Biodiversität in unserem Land, und nicht zuletzt für uns alle, die sich einen Frühling ohne Schmetterlinge nicht vorstellen können.
Als mit der Tierwelt unserer Heimat vertraute Naturinteressierte und Fachentomologen registrieren auch wir seit einigen Jahren mit Sorge einen auffälligen Rückgang von Insekten und insektenfressenden Wirbeltieren in Südwestdeutschland. Wir nehmen daher die im Januar 2017 bei der EU-Kommission bevorstehende Prüfung der Wiederzulassung der drei Neonikotinoid-Insektizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam zum Anlass, uns mit der Bitte an Sie und an die zuständigen Minister zu wenden, sich im Rahmen Ihrer politischen Möglichkeiten gegen die Wiederzulassung dieser Stoffe einzusetzen. Aus Sicht zahlreicher kompetenter Wissenschaftler sind die zuvor genannten Insektizide ein wesentlicher Grund für den derzeitigen alarmierenden, ja beängstigenden Rückgang vieler Insektenarten.
Wie Sie wissen, wurde durch gründliche Untersuchungen und Beobachtungen in Deutschland und anderen Ländern festgestellt (1, 2), dass binnen weniger Jahre ein erheblicher Einbruch in den Populationen zahlreicher Insektenarten zu verzeichnen ist. Das betrifft Blüten besuchende wie auch andere Arten der verschiedensten Insektengruppen, am auffälligsten wohl die Honigbiene (3). Die Naturschutzverbände NABU und BUND rechnen mit Einbußen von bis zu 80 % der Biomasse an Insekten in den letzten Jahren (4). Als Hauptgrund für dieses “Verschwinden” wird jeweils der Einsatz von systemischen Insektiziden, namentlich der o. g. Stoffe vermutet. Diese Stoffe wirken auf das Nervensystem und somit auf den Orientierungssinn und das Verhalten von Insekten und anderen Gliedertieren. Darüber hinaus weisen diese Stoffe lange Halbwertszeiten auf - je nach Umweltbedingungen bis zu mehreren Jahren - wodurch sie im Boden wie auch im Grundwasser persistieren und wirksam bleiben (5).
Dem Rückgang der Artenvielfalt in unserer Landschaft liegt natürlich noch ein ganzes Bündel anderer Ursachen zugrunde (z.B. Landschaftsverbrauch, Monotonisierung und “Ausräumung” der Landschaft, Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft, großflächiger Einsatz von Herbiziden, Stickstoffeinträge, Klimaveränderung und zunehmende Luft- und Lichtverschmutzung). Dieser Prozess verläuft bereits seit vielen Jahren und ist am deutlichsten am Verschwinden der Vögel der Agrarlandschaft sichtbar (z.B. Kiebitz, Rebhuhn, Feldlerche). Der 2012 abrupt und vielerorts beobachtete starke Rückgang bei nahezu allen bestäubenden und vielen anderen Insektenarten im Südwesten steht aber offensichtlich in direktem Zusammenhang mit der Aussaat von Neonikotinoid-gebeiztem Maissaatgut.
Von diesem massiven Rückgang der Insekten seit 2012 sind nicht allein die Honigbiene und auch nicht ausschließlich landwirtschaftliche Flächen betroffen, vielmehr sind seither auch in weniger intensiv genutzten Bereichen im Oberrheingebiet, namentlich auch im Kaiserstuhl, zahlreiche Insektenarten weitgehend ausgefallen. Viele bisher häufige Arten sind auf geringere Individuenzahlen reduziert, während die schon immer recht seltenen Besonderheiten der hiesigen Insektenfauna seit 2012 kaum noch auffindbar sind; für einen Teil dieser Arten trägt das Land Baden-Württemberg eine besondere Verantwortung (z. B. 6, 7).
Obwohl der Einsatz von drei Neonikotinoid-Wirkstoffen seit 2013 einstweilig verboten wurde, hat sich die bedrohliche Situation wegen der Langlebigkeit und des Vordringens der Neonikotinoide über Luft und Wasser in weitere Biotopbereiche sogar noch zugespitzt. Damit einhergehend wird außerdem ein nicht minder drastischer und Besorgnis erregender Rückgang an insektenfressenden Wirbeltieren, insbesondere an bestimmten Vogelarten, wissenschaftlich nachgewiesen und von vielen Menschen beobachtet (8).
Das Insektensterben findet dennoch von breiten Kreisen der Bevölkerung unbemerkt statt. Vielleicht fällt es Autofahrern mit gutem Gedächtnis auf, wenn nach längerer Autobahnfahrt die Windschutzscheibe – im Gegensatz zu früheren Jahren – fast insektenfrei ist. Für aufmerksame Naturbeobachter wird dies auch am Ausbleiben des früheren Gewimmels und Gesummes von vielen Insekten auf blühenden Sträuchern im Frühjahr offensichtlich. Nicht zuletzt fällt den mit der Kartierung von Insektenarten beauftragten Fachleuten an der Leere ihrer Netze, Klopfschirme und Fallen die Veränderung auf. Die bemerkenswert große Artenvielfalt und Insektenfülle, die wir am südlichen Oberrhein noch vor 15 Jahren dokumentiert haben (9) - u. a. über 2.100 Käferarten - ist augenscheinlich seither stark zurückgegangen.
Als mittel- bis langfristige Folgen bei einem weitgehenden Ausfall der Blütenbestäuber würden sich für die Landwirtschaft enorme Einbußen ergeben, da in Europa etwa 80 % der Ernte von Bestäubern abhängig sind (10). Darüber hinaus kommt es in der gesamten naturnahen Umwelt zu weiteren schweren Beeinträchtigungen des ohnehin gestörten Gleichgewichts.
Die Insektenwelt ist schon jetzt so weitgehend dezimiert, dass es wahrscheinlich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen wird, bis ihre Vielfalt wieder einigermaßen hergestellt ist. Wir appellieren deshalb an Sie, Herr Ministerpräsident, Herr Minister Untersteller und Herr Minister Hauk, die folgenden Vorschläge und Forderungen zu unterstützen und im Rahmen Ihrer Möglichkeiten und Zuständigkeiten umzusetzen:
Ein vollständiges und dauerhaftes Verbot der Neonikotinoide in der Europäischen Union noch vor Beginn der Vegetationszeit 2017 als eine der am raschesten realisierbaren Maßnahmen, z.B. über die Forderung und Unterstützung einer Bundesratsinitiative.
Die Realisierung und Erweiterung eines breit angelegten Programmes, entsprechend der ambitionierten Zielsetzung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz der Vorgängerregierung (11, 12), als Maßnahme gegen das Verschwinden der Insekten, nämlich die umgehende Veranlassung und großzügige Finanzierung von nachhaltigen Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität wie z.B. die Renaturierung von Ackerrändern (“Ackerrandstreifen”), die konsequente Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Gewässerrandstreifen, die möglichst großflächige Neuausweisung bzw. Vergrößerung von Schutzgebieten nach Naturschutz- und Landeswaldgesetz sowie die Förderung des Arten-, Biotop- und Landschaftsschutzes wie auch der Biologischen Landwirtschaft auf allen Ebenen der Planung, der Verwaltung und der Umsetzung vor Ort.
Die alsbaldige Einführung eines landes- und bundesweiten Langzeit-Monitorings wichtiger Zeigergruppen von Insekten und Insektenfressern. Zu fordern sind auch systematische Rückstandsuntersuchungen auf Neonikotinoide in Böden, Gewässern, Pflanzen und Insekten.
Unterstützung der Einrichtung eines unabhängigen Forschungszentrums mit der Aufgabe, alle Ursachen für den aktuell zu beobachtenden Rückgang der Insektenpopulationen zu ergründen und Schutzkonzepte zu entwickeln. Dazu gehört auch die Erfassung und Auswertung von entsprechenden Untersuchungen, Beobachtungen und Konsequenzen im In- und Ausland.
Die längerfristige Förderung von Öffentlichkeitsarbeit zur Stärkung des allgemeinen Problembewusstseins über die weitreichenden Konsequenzen des Insektensterbens.
Noch ist es nicht zu spät, die Artenvielfalt unserer Insektenwelt und damit die Vielfalt und das Gleichgewicht der naturnahen Umwelt in Deutschland und Europa zu stabilisieren - doch allerhöchste Zeit, wenn es demnächst zur Abstimmung über eine mögliche Wiederzulassung der hochproblematischen Neonikotinoide kommt. Eine falsche Entscheidung hierbei könnte verheerende Folgen haben und wäre unvereinbar mit allen Vorstellungen von Nachhaltigkeit und umweltgerechter Landwirtschaft.
Das Verschwinden der Insekten und damit eines Teils unserer Lebensqualität wird von vielen Menschen mit Sorge gesehen. Daher erwarten die Bürger von der Landesregierung, dass dieses Thema mit der notwendigen Ernsthaftigkeit behandelt wird. Ergreifen Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten und Zuständigkeiten Maßnahmen, die diese dramatische Verarmung unserer Natur in Baden-Württemberg und darüber hinaus aufhalten und baldmöglichst umkehren.
Dazu gehört aktuell ganz besonders, mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Wiederzulassung der gefährlichen Neonikotinoide zu verhindern.
Wir sehen Ihren Antworten mit Interesse entgegen und bedanken uns im Voraus für Ihre Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen,
Freiburger Entomologischer Arbeitskreis
Der Brief wird von folgenden Verbänden und Organisationen mitgetragen:
Arbeitsgemeinschaft Feldherpetologie und Artenschutz Baden-Württemberg e.V.
Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V.
Badischer Landesverein für Naturkunde und Naturschutz
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband
BUND-Regionalverband Südlicher Oberrhein
Fachschaft für Ornithologie Südlicher Oberrhein
Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV)
Naturfreunde Baden-Württemberg
Naturfreunde, Ortsgruppe Freiburg
Naturschutzbund Deutschland (NABU), Landesverband Baden-Württemberg
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Kreisverband Freiburg
Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V.
Dieser Offene Brief wurde initiiert und formuliert
vom Freiburger Entomologischen Arbeitskreis (FREAK)
(Presseinfo: BUND-Regionalverband Südlicher Oberrhein, 21.12.2016)
Titelseite » > RegioNotizen » Textmeldung
Stadtkreis Freiburg - Freiburg
21. Dec 2016 - 12:30 UhrInsektensterben: Offener Brief an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Herrn Winfried Kretschmann
Weitere Beiträge von Medieninfo (01)
Jeder Verfasser einer Meldung (Firma, Verein, Person...) hat zusätzlich noch SEINE eigene "Extrazeitung" bei REGIOTRENDS! Oben auf den roten Namen hinter „Weitere Beiträge von“ klicken. Schon sehen Sie ALLE seine abrufbaren Meldungen in unserer brandaktuellen Internet-Zeitung.
> Weitere Meldungen aus Freiburg. > Weitere Meldungen aus der Rubrik "> RegioNotizen". > Suche > Meldung schreiben P.S.: NEU! Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von RegioTrends! |
- Wir sind RegioTrends-Partner
-
Schmieder`s Kaffeekännchen
Mundinger Str. 17, 79312 Emmendingen, Tel. 07641 / 51500Stuckert Wohnbau AG
Gewerbestraße 97, 79194 Gundelfinden, Tel. 0761/4795980Werner Scheer GmbH
An der Gumme 1, 79348 Freiamt, Tel. 07645 / 1200, Fax 07645 / 1213Winterhalder - Partyraum-Festraum
Bottinger Straße 11, 79331 Teningen, Tel. 07663/1743 oder 07663/5680Badischer Winzerkeller
Zum Kaiserstuhl 16, 79206 Breisach, Tel. 07667/900-0
und immer auch in den RegioMarktplatz-Rubriken! -












- Regio-Termine
- Regio - Hier ist Platz für IHRE Veranstaltung! REGIOTRENDS-Service: Telefon 07641-9330919 - Weitere Termine im RegioKalender (Kategorie MAGAZIN)
- Kenzingen - 8./9. März: "Breisgauer Frühling 2025" in Kenzingen - Kunst, Genuss und Unterhaltung in der Innenstadt
- Lörrach - Telefonberatung der Agentur für Arbeit Lörrach: Wege, Impulse und Ideen für den Wiedereinstieg nach der Familienzeit
- Freiburg - 13. März 2025: Infos zu Freiwilligendiensten - Berufsorientierende Veranstaltung für junge Menschen in der Jugendberufsagentur Freiburg
- Emmendingen - 15. März 2025: »Nur ein kurzer Sommer« in Emmendingen - Lesung mit Astrid Lehmann in der Stadtbibliothek
- Waldkirch - 16. März 2025: "Double Time" in Waldkirch - Jazz oder nie + Jazz al dente - Zwei Bands auf einer Bühne - Theater am Kastelberg - Beginn: 18 Uhr
- Waldkirch - Herzliche Einladung zur Buchpräsentation des Buches Waldkirch II, herausgegeben von Wolfram Wette, 18. März 2025 um 18.15 h im Pfarrheim St. Margarethen
- Bad Krozingen - 20. März 2025: "Südtiroler Heimatsterne 2025" in Bad Krozingen - Abschluss des Winterfestivals im Kurhaus
- Teningen-Heimbach - "Bunt klingt's schöner" - 22. März: Konzert Kids-und-Teens-Chor St. Gallus, Heimbach
- Kenzingen - Flohmarkt - Rund ums Motorrad am 29.03.2025 Motorradfreunde Kenzingen
- Emmendingen-Mundingen - 29. März 2025: Kindersachenflohmarkt in Emmendingen-Mundingen - Veranstaltung in und vor der Neumattenhalle
- Lahr - 12. April 2025: 7. Reichenbacher Wandermarathon in Lahr - Der Schwarzwaldverein Reichenbach e.V. lädt ein
- Freiburg - 26. April 2025: Literarische Soirée zugunsten von „Taube Kinder lernen hören“ - Schauspieler Martin Brambach trägt in Mercedes-Benz Niederlassung Kestenholz in Freiburg Liebesbriefe der Weltliteratur vor
- Tipps der Woche


- Wissenswertes
- Regio - REGIOTRENDS-Vereinsseite! - Auszug aus weiteren Meldungen von Vereinen in der Regio
- Regio - 1 Klick: Blick zurück! - RegioEvents 2024 bei REGIOTRENDS! - Attraktive Regio, engagierte Veranstalter: REGIOTRENDS war mit der Kamera mit dabei!
- Emmendingen - Bis zum 24. April 2025: „abstract meets abstract“ im Arkana Forum in Emmendingen – Malerei trifft auf Fotografie mit Werken von Christa und Wolfgang Haack
- Emmendingen - Film-Club Breisgau diskutierte über Künstliche Intelligenz - Markus Günther referierte in Emmendingen über neuen Trend als Unterstützungsmedium
- Durbach - PETER GAYMANN: DAS LEBEN IST SCHÖN (CARTOONS) | MEDICLIN Staufenburg Klinik in Durbach.
- Riegel - Bis 16.03.2025: Bohumil Eliáš Jr., "Transparente Träume" - Ausstellung in der Galerie Messmer in Riegel
- Wattwiller - Bis 23. März 2025: Zeitgenössische Kunst in den Südvogesen - Neue Ausstellungen in der Fondation François Schneider in Wattwiller
- Heiligenzell - Gemeinschaftsausstellung "EigenArt" im historischen Schlössle in Heiligenzell - Vom 21. bis 23. März 2025 - Der Eintritt ist frei!
- Emmendingen - Hanne Günther Kunstausstellung in der Galerie Emmendinger Tor
- Wyhl - Veranstaltungsreihe anläßlich des 50. Jahrestags der Platzbesetzung in Wyhl am Rhein - "Bürger helft euch selbst": Wyhl 1975 - ein Beispiel
- Freiamt - Bis 3. April 2025: „Schicht um Schicht“ in Freiamt - Künstler Gundel Busch (Malerin) und Reinhard Berg (Fotograf) stellen im Kurhaus aus
- Regio - Mit einem Klick zu den richtigen Adressen: Einkaufen (täglicher Bedarf, regionale Erzeuger) - Shopping (Mode, Wohnen, Geschenke…) - Dienstleistung (Recht & Finanzen, rund ums Haus…) - Gastronomie - Freizeit - Betreuung & Pflege - Schön, fit, gesund


- Klick-Service