Im Winter 2016/2017 rufen bei uns im Freiburger BUND-Büro immer häufiger besorgte Menschen an, die von deutlich geringeren Zahlen beobachteter Vögel berichten. Einige aktuelle Studien belegen diese Beobachtungen und nennen vielfältige Gründe für den Rückgang einiger Vogelpopulationen.
Die aktuelle NABU-Zählaktion „Stunde der Wintervögel im Winter 2016/2017", ergab: Durchschnittlich 17 Prozent weniger Tiere als in den Jahren zuvor. Vor allem bei häufigen Wintervögeln und Futterhausbesuchern, darunter unter anderem allen Meisenarten, wurden die niedrigsten Zahlen seit Beginn der Aktion 2011 verzeichnet. Dieser Trend gilt zwar bundesweit, aber der Vogelmangel im Südwesten Deutschlands ist ausgeprägter als im Norden und Osten.
Es gibt dafür verschiedene mögliche Gründe:
Zum einen seien einige Vögel in diesem Jahr besonders „zugfaul“ gewesen und hätten aufgrund der zu dieser Zeit sehr milden Wintertemperaturen auf halber Zugstrecke Halt gemacht. Ein weiterer möglicher Faktor ist der schlechte Bruterfolg der Meisen und anderer Waldvögel im Frühjahr 2016.
Diese Aussagen machen zwar Sorgen, dennoch wäre es falsch, von einem „akuten Vogelsterben“ zu sprechen. Temporäre Rückgänge bei einzelnen Arten gab es immer wieder. Auch Witterungsfragen können bei Zählungen eine Rolle spielen. Wichtig sind die langfristigen Trends und die sind bedrohlich. Nur wissenschaftliche Studien und Forschungen können Auskunft darüber geben, ob sich das langjährige Vogelsterben aktuell beschleunigt.
Fast die Hälfte aller Brutvögel in Deutschland stehen auf der Roten Liste, viele weitere Vogelarten auf der Vorwarnliste. Vor allem die ganz gewöhnlichen, früher weit verbreiteten Vögel sind gerade im Schwinden begriffen. 248 Vogelarten brüten in Deutschland, doch nicht einmal die Hälfte davon ist ungefährdet. So die erschreckende Bilanz der Roten Liste für Brutvögel in Deutschland, die im August 2016 erschienen ist.
Es gibt eine Vielzahl von Gründen warum die Zahl der Vögel global, bundesweit und regional seit Jahrzehnten abnimmt.
Im folgenden Beitrag möchten wir einige mögliche Ursachen für den Rückgang von Vogelpopulationen nennen.
Die Zahl der Insekten hat in manchen Gebieten Deutschlands schon um bis zu 80% abgenommen und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Vogelwelt. Vögel wie Schwalben oder Mauersegler leben von Insekten. Für eine Vielzahl von Kleinvögeln in der Aufzuchtphase sind Insekten besonders wichtig. Das massive und erschreckende globale und bundesweite Insektensterben nimmt (nicht nur) Schwalben, Mauerseglern und Fledermäusen die Nahrungsgrundlage und führt zu einem massiven Rückgang der Populationen. Wenn ein wichtiger Teil der Nahrungsgrundlage wegbricht, dann hat das extreme Auswirkungen auf alle Arten am Ende der Nahrungskette. Die Lobbyisten der Agrargift-Industrie haben ein massives (und gut organisiertes) Interesse daran, dass dies nicht zum Thema wird.
Der Verlust an Natur und Lebensräumen und die im Rahmen von Globalisierung und Freihandel immer intensiver wirtschaftende Landwirtschaft gefährdet die Vogelwelt besonders stark.
Vogelschlag an Glas, an verglasten und verspiegelten Gebäuden
Mindestens 18 Millionen Vögel sterben jährlich durch Vogelschlag an Glas. Es ist mehr als befremdlich, dass die 100.000 bis 200.000 Opfer der Windenergie so intensiv diskutiert werden, die Hauptursachen des Vogelsterbens aber nicht.
"Glas tötet unspezifisch also potentiell alle Vogelarten, denn es wird in fast jeder Flughöhe verbaut. Es tötet Vögel unabhängig von Art, Alter, Geschlecht und Uhrzeit. Das belegen Studien aus den USA. Man kann natürlich sagen, dass Vögel, die oft vorkommen ("Allerweltsarten") natürlich auch oft betroffen sind, Vögel, die selten vorkommen nicht so oft, was aber nur an der vorhandenen Anzahl der Vögel liegt. Viele Vogelstationen haben regelmäßig Glas-Vogelschlag-Opfer aus verschiedensten Arten: Greifvögel, Spechte (sogar sehr oft), Singvögel, Waldschnepfen, Zugvögel, standorttreue Vögel... einfach alles ... bis hin zu einem Storch, bei dem die Kollision sogar live beobachtet wurde." sagt Dr. Judith Förster, Projektleiterin des Projektes "Vermeidung von Vogelschlag an Glas" des BUND NRW.
Vogelschlag an Eisenbahnzügen
"Sieben verschiedenartige Untersuchungen (an deutschen und anderen europäischen Bahnstrecken), die 70 Tage bis mehrere Jahre dauerten und zwischen 1982 und 2002 publiziert wurden, zeigten, dass es pro Streckenkilometer(!) und Jahr zu 0,29 bis 61 Vogelschlägen kommt. Auf Strecken, die nur mit bis zu 160 km/h Geschwindigkeit befahren wurden war dieser Wert maximal 20, an Strecken mit 200 km/h und mehr Maximaltempo zumindest 38,1. Die Aussagen zu Vogelschlag an Zügen sind auch auf Fledermäuse zu erweitern. Als Ursache hoher Vogelschlagfrequenz an Zügen wird gesehen, dass Züge mit Stromabnehmer 8 m über Schienenoberkante hoch sind und damit doppelt so hoch wie Kfz auf Autobahnen." schreibt Wikipedia und bezieht sich auf das Eisenbahnbundesamt. Dieses sagt: "Auf den Streckenkilometer bezogen ist die Mortalitätsrate im Schienenverkehr offenbar höher als im Straßenverkehr. Im Vergleich zur Gesamtindividuenzahl sind Eulen und Greifvögel überdurchschnittlich betroffen. Besonders gefährdete Arten sind Bussard, Schleiereule, Steinkauz und Seeadler."
Vogelschlag im Verkehr an Straßen und Autobahnen
Wer mit dem Auto unterwegs sein muss, der sieht "links und rechts der Autobahn" erschreckend viele tote Vögel, darunter viele große Greifvögel. Erstaunlicherweise haben wir zu diesem Großthema keine konkreten, belastbaren Aussagen und Zahlen gefunden. Wenn Sie solche Studien kennen, dann teilen Sie uns diese bitte mit.
Der tropische Usutu-Virus und die Vogelgrippe sind bei einigen Vogelarten ein Grund für den Rückgang. Die ernstzunehmende Debatte, in wie weit die Massentierhaltung für manche Krankheiten verantwortlich ist, steht noch am Anfang.
Vogelfang
"Jedes Jahr fallen in den Staaten rund um das Mittelmeer mindestens 25 Millionen Zugvögel der meist illegalen Jagd zum Opfer." schreibt www.spektrum.de
Hauskatzen, verwilderte Hauskatzen und Vögel
Katzen und Vögel sind ein höchst emotional besetztes Thema, wie Millionen Katzenvideos auf Youtube zeigen. Über 8 Millionen Katzen in Deutschland töten viele Millionen Vögel. Amerikanische Studien kamen zu dem Ergebnis, dass jedes Jahr in den USA zwischen 1,4 und 3,7 Milliarden Vögel und zwischen 6,9 und 20,7 Milliarden kleine Säugetiere von Katzen getötet werden. Diese Zahlen lassen sich nicht so einfach auf Deutschland übertragen und viele Fachleute gehen bei uns von geringeren Zahlen aus. Doch jährlich 5 bis weit über 20 Vögel töten viele "Hauskatzen mit Ausgang" und diese Zahlen sind sehr niedrig angesetzt. Das größte Problem für Natur und Vögel ist die zunehmende Zahl von verwilderten Hauskatzen. Allein in Deutschland gibt es schätzungsweise 2 Millionen verwilderte Katzen. Wenn es gelänge, die Bestände verwilderter Hauskatzen zu reduzieren, könnte das Problem auf ein erträgliches Maß verringert werden. Eine Hauskatze fängt zwar keinen Rotmilan, die extrem große Zahl an getöteten Kleinvögeln ist dennoch ein massives Problem. Mit den Ausgleichszahlungen aus dem Windradbau sollten auch Kastrationskampagnen für verwilderte Katzen finanziert werden.
Auch Eichhörnchen, Marder und Rabenvögel
gehen die Gelege von Singvögeln an. Wenn zur Brutzeit Eier und Jungvögel erreichbar sind, nehmen sie auch diese Nahrungsquelle wahr. Doch so hart es klingt: Das ist Natur. Es ist erstaunlich, dass im Zusammenhang mit dem Vogelschutz immer nur das Problem der Rabenvögel heftig diskutiert wird und Hauskatzen, verwilderte Katzen, Eichhörnchen und Marder in der öffentlichen Debatte fast keine Rolle spielen. Das hat möglicherweise auch mit alten Ängsten vor den „schwarzen Vögeln“ zu tun.
Die größten Artenverluste wird der Klimawandel bringen.
"Die globale Erwärmung bedroht jede sechste Art" schreibt die Zeit. Alternative Energien sind eine wirksame Waffe gegen den Klimawandel.
Über die 100.000 bis 200.000 von Windrädern getöteten Vögel wird interessengeleitet viel diskutiert, denn jede privat gebaute Energieerzeugungsanlage bedroht das wankende Monopol der alten Energieversorger. Die wesentlich höheren Zahlen, ausgelöst durch Insektensterben, Agrargifte, Lebensraumverlust, Glasscheiben, Freileitungen, Straßen, Katzen, Bahnstrecken und durch Vogelfang spielen in der veröffentlichten Meinung fast keine Rolle.
Das Thema Vogel- und Artengefährdung sollte nicht nur in der Nische der Windräder geführt werden, die nur für einen kleinen Teil des Vogelsterbens verantwortlich ist. Wer mit der Lösung eines Problems nur in der Nische ansetzt, kann keine echten Fortschritte erzielen. Dennoch ist bei bedrohten Arten wie dem Schreiadler, dem Rotmilan oder seltenen Fledermäusen jedes getötete Tier eines zu viel und darum wird der BUND aus Gründen des Artenschutzes auch in Zukunft nicht jeder Windradplanung zustimmen. Die erfreulichen Fortschritte und Erkenntnisse, die bei der Gefahrenminimierung für Vögel bei Windrädern erreicht wurden, sollten aber endlich auch auf den wesentlich bedrohlicheren Vogelschlag an Glas übertragen werden.
Fünf Mal gab es in den vergangenen 540 Millionen Jahren gewaltige Artensterben, zeigen Fossilienfunde. Forscher sehen eine aktuelle, menschengemachte, sechste Welle in vollem Gange. Allein seit dem Jahr 1500 seien mehr als 320 terrestrische Wirbeltiere ausgestorben, die Bestände der verbliebenen seien im Schnitt um ein Viertel geschrumpft, schreiben Wissenschaftler um Rodolfo Dirzo von der Stanford University in der Zeitschrift "Science". Nach einem Bericht der Vereinten Nationen zur Artenvielfalt sterben bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten täglich aus.
Der Mensch im Anthropozän hat auf die Artenvielfalt also langfristig eine "ähnlich verheerende" Wirkung wie der große Meteor-Einschlag vor 65 Millionen Jahren.
Vogelsterben, Insektensterben, Artensterben...
Unsere globale und bundesweite Raubbauwirtschaft und der unerfüllbare und zerstörerische Traum vom unbegrenzten Wachstum führen zu immer massiveren Schäden, nicht nur in der Vogelwelt. Hier muss der BUND und die Umweltbewegung ansetzen.
In Sachen Vogelsterben kann die Umweltbewegung durchaus auch auf Erfolge zurückblicken. In der Mitte des letzten Jahrhundert wurde festgestellt, dass DDT dazu führte, dass Greifvögel Eier mit dünneren Schalen legten, was zu erheblichen Bestandseinbrüchen führte. DDT geriet auch unter Verdacht, beim Menschen Krebs auslösen zu können. Auch wegen des Drucks der Umweltbewegung wurde die Verwendung von DDT von den meisten westlichen Industrieländern in den 1970er-Jahren verboten. Artenschutz ist immer auch Menschenschutz.
Nachtrag
Wir misstrauen allen "genauen" Zahlenangaben zu den Zahlen der getöteten Vögel und auch bei den Vögeln dürfen "Äpfel nicht mit Birnen" verglichen werden. Die Zahlen können aber sehr deutlich Schwerpunkte der Gefährdung aufzeigen. Weiter führende unabhängige Studien sind unbedingt nötig.
(Medieninformation: BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein,
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Freiburg, 15.02.2017)
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Stadtkreis Freiburg - Freiburg
15. Feb 2017 - 10:32 UhrDie Bevölkerung beobachtet den zahlenmäßigen Rückgang von Vögeln im Winter - Wo liegen die Ursachen?
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