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RegioTrends

Breisgau-Hochschwarzwald - Bernau

20. Mai 2019 - 10:59 Uhr

Der Schwarzwald braucht „Orte der Stille“ - Rund 120 Experten, Betroffene und Interessierte diskutierten in Bernau über Verkehrslärm

 Die Veranstaltenden der Tagung waren mit dem Ablauf hoch zufrieden. Von links: Dr. Wolfgang Schlund (Leiter Nationalpark Schwarzwald), Dr. Stefan Büchner (Leiter Naturschutzzentrum Südschwarzwald), Roland Schöttle (Geschäftsführer Naturpark Südschwarzwald), Yvonne Flesch (stellvertretende Geschäftsführerin Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord), Walter Kemkes (Geschäftsführer Biosphärengebiet Schwarzwald), Georg Keller (Präsident Schwarzwaldverein).

Foto: © Naturschutzzentrum Südschwarzwald
Die Veranstaltenden der Tagung waren mit dem Ablauf hoch zufrieden. Von links: Dr. Wolfgang Schlund (Leiter Nationalpark Schwarzwald), Dr. Stefan Büchner (Leiter Naturschutzzentrum Südschwarzwald), Roland Schöttle (Geschäftsführer Naturpark Südschwarzwald), Yvonne Flesch (stellvertretende Geschäftsführerin Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord), Walter Kemkes (Geschäftsführer Biosphärengebiet Schwarzwald), Georg Keller (Präsident Schwarzwaldverein).

Foto: © Naturschutzzentrum Südschwarzwald
Kaum hat das Frühjahr begonnen, sind auch die Motorräder wieder auf den Schwarzwälder Straßen unterwegs. Die einen haben nun ihren Spaß an den engen Kurven und knackigen Steigungen, die anderen fühlen sich um ihre Ruhe gebracht. Im Rahmen einer Tagung der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg am Freitag, 17. Mai 2019, in Bernau im Schwarzwald wurde das Problem von unterschiedlichsten Seiten beleuchtet. Mit Blick auf andere Regionen entwickelten die etwa 120 Teilnehmenden Ansätze zu einer Verbesserung der Situation.

Das Fazit der Tagung lautet: Die Lärmbelastung im Schwarzwald ist vielerorts grenzwertig, Anwohner und Besucher sind nicht länger bereit, diesen Lärm hinzunehmen. Dabei geht es nicht darum, Motorradfahrer aus dem Schwarzwald zu vertreiben, sondern es geht um eine rücksichtsvolle Fahrweise. Wünschenswert wäre außerdem, dass es im Schwarzwald auch Gebiete gibt, die man völlig ohne Motorengeräusche erleben kann. Mehrfach wurde der klare Auftrag an die Politik formuliert, sich dieser Missstände anzunehmen.

Wie drängend das Problem ist, wurde bereits daran deutlich, dass sich an der Initiative des Naturschutzzentrums Südschwarzwald dieser Veranstaltung das Biosphärengebiet Schwarzwald, der Nationalpark Schwarzwald, die beiden Naturparke im Schwarzwald und der Schwarzwaldverein als Kooperationspartner beteiligten. Ganz offensichtlich wird die Belastung durch Verkehrslärm in der gesamten Region als ernst zu nehmendes Problem angesehen.

Nach einer kurzen Begrüßung durch Horst Faschian, stellvertretender Bürgermeister der gastgebenden Gemeinde Bernau im Schwarzwald, sagte Regierungsvizepräsident Klemens Ficht in seiner Begrüßung: „Mit dieser Fachtagung wird das Thema in die Öffentlichkeit getragen und es ist wünschenswert, dass daraus ein lange überfälliger Dialog entsteht. Mit dem Termin kommen Fakten auf den Tisch, wird das Thema von allen Seiten beleuchtet, Strategien und Lösungsansätze dargestellt und die Möglichkeit zu Austausch und Diskussion eröffnet. Wir hoffen darauf, gemeinsam erste Lösungsansätze oder Ansätze für weitere Arbeitsschritte zu definieren.“

Dr. Stefan Büchner vom Naturschutzzentrum zeigte in seinem einführenden Vortrag auf, wie weitreichend die Verlärmung einer Landschaft sein könne, so dass auch in Schutzgebieten und intensiv touristisch genutzten Bereichen – im Südschwarzwald beispielsweise an den größeren Seen – an schönen Sommertagen keine Stille mehr zu erleben sei.

Thomas Myck vom Umweltbundesamt Dessau-Roßlau erläuterte die EU-Umgebungslärmrichtlinie und wies darauf hin, dass Lärm europaweit als Stressfaktor erkannt wurde. Prof. Dr. med. Peter Lercher von der Technischen Universität Graz stellte Forschungsergebnisse über die Auswirkung von Lärm auf die Gesundheit vor und vertrat die Auffassung, dass heutzutage Krankheitsabwehr nicht mehr ausreiche, vielmehr sei Gesundheitsförderung unabdingbar. Er betonte insbesondere auch die krank machenden Wirkungen tiefer Schallfrequenzen, die vom Menschen weniger gehört, sondern unterbewusst als Vibrationen wahrgenommen werden und Stressreaktionen auslösen.

Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch auch der wirtschaftliche Einfluss der Motorradfahrer – der Hinweis „Bikers welcome“ weist häufig darauf hin. Aber wie verhält es sich wirklich mit Lärm und Stille und dem Tourismus? Diesen zwei Seiten der Medaille widmete sich Dr. Thomas Coch, Geschäftsführer der Ferienregion Münstertal Staufen, in seinem Vortrag. Seiner Aussage nach seien etwa 3 % der Übernachtungsgäste in der Ferienregion Münstertal Staufen Motorradfahrer.

Für den Schwarzwaldverein sprach Präsident Georg Keller. Auch er sieht den Tourismus im Dilemma, denn Lärmarmut und Ungestörtheit seien ein berechtigter Anspruch der Einwohner des Schwarzwaldes und der Touristen. Gerhard Bronner vom Landesnaturschutzverband beklagt eklatante Regelungslücken und zog deutliche Parallelen zum Dieselskandal. Sein Verband vertritt die Forderung, dass sich die Bundesregierung für eine Änderung der Zulassungsnormen für Motorräder und Sportwagen einsetzt.

Auch Michael Wilczynski vom Bundesverband der Motorradfahrer ist bewusst, dass einzelne schwarze Schafe ein Bild prägten, das er aber nur für einen kleinen Teil der Motorradfahrer gelten lassen wolle. Er vertrat die Auffassung, dass Streckensperrungen zu Mehrbelastungen in anderen Regionen führen würden. Er befürwortete die schärfere Sanktionierung von technischen Manipulationen und die Verstärkung von Kontrollen. Sein Fazit: „Motorradfahrer sollen sensibilisiert, aber nicht diffamiert werden. Leise Fahrer sind ein Gewinn für jede Region.“

Die wohl aktuellsten Daten zum Thema wurden 2018 im Außerfern (Bezirk Reutte) in Tirol erhoben. Christoph Lechner von der Tiroler Landesverwaltung stellte die Ergebnisse der von ihm durchgeführten Lärmmessungen vor und betonte den Unterschied zwischen der durch Geräte messbaren Lärmbelastung und der Lärmbelästigung. Letztere sei zwar zunächst subjektiv, z. B. durch Fragebogenaktionen aber ebenfalls objektivierbar. Er hob hervor, dass in Tirol zur Verbesserung der Situation Fahrverbote an Sonntagen angedacht seien.

Dass das Problem Lärm kein alleiniges Schwarzwaldproblem ist, verdeutlichte Sonja Schuchter, Bürgermeisterin aus Sasbachwalden. Sie stellte die in der Eifel angestoßene Kampagne „Silent Rider“ vor. Für diese Kampagne sollten nach dem Wunsch der Initiatoren bundesweite Kooperationspartner gesucht werden, um auf möglichst breiter Basis und mit einem positiven Image gemeinsam gegen unnötigen Motorradlärm vorzugehen.

Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das mit Thomas Marwein MdL einen Lärmschutzbeauftragten vorweisen kann. Er stellte die Sicht der Landesregierung dar und bemängelte, dass es an einer übergreifenden europäischen Gesetzgebung mangele. Ein Problem sei aus seiner Sicht, dass für ältere Motorräder ein Bestandsschutz gelte; neue Regelungen würden den von diesen verursachten Lärm daher kaum mindern können. Marwein brachte ein Geschenk mit: Die Landesregierung fördert ab sofort die Anschaffung von Motorradlärm-Displays mit bis zu 4.000 € je Anlage. Weitere Informationen hierzu sind auf der Website des Verkehrsministeriums zu finden (www.vm.baden-wuerttemberg.de).

In der abschließenden Diskussion wie auch auf Pinnwänden forderten zahlreiche Gäste, dass möglichst umgehend effektive Maßnahmen ergriffen werden sollten. Es müsse im Schwarzwald Naturräume und Wohngebiete geben, die lärmfrei erlebbar sein müssten, an Hotspots müsse viel intensiver als bisher kontrolliert werden. Auch die Sperrung bestimmter Streckenabschnitte für Motorräder dürfe kein Tabu sein, ebenso müsste konsequenter gegen Manipulationen vorgegangen werden. Nicht nur die bereits bestehenden Bürgerinitiativen sollten sich für das weitere Vorgehen vernetzen, sondern ein Zusammenschluss mit anderen Institutionen sei wünschenswert. Auch die Bildung eines landkreisübergreifenden Arbeitskreises wurde angeregt. Ein Anschluss des Schwarzwalds an die Eifeler „Silent-Rider“-Kampagne wurde ausdrücklich befürwortet.

An die Landesregierung erging der klare Auftrag, sich stark zu engagieren, um die Forderungen in Richtung Bundesregierung zu transportieren. Diese müsse dann auf EU-Ebene die Umsetzung vorantreiben. Die Anwesenden waren sich einig, dass sämtliche Ansätze nur mit Einbindung der Motorradfahrer Erfolg versprächen. Man müsse auch weiterhin miteinander, nicht übereinander sprechen. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass keineswegs nur Motorradfahrer für unnötigen Lärm verantwortlich seien, sondern auch andere Motorsportler wie beispielsweise manche Autofahrer oder Motorflieger.

(Medieninfo: Haus der Natur, Feldberg, 20.05.2019)


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