Daniel Föst ist Mitglied des Deutschen Bundestages und der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
Er setzt sich als überzeugter Freier Demokrat für Selbstbestimmung, individuellen Fortschritt und Bildungs- und Sozialpolitik ein.
Föst konzentriert sich auf Themen wie bezahlbaren Wohnraum, Eigenheimförderung und Familienpolitik.
Als ehemaliger Unternehmer bringt er wirtschaftliche Expertise in seine politische Arbeit ein und betont den Wert von Freiheit und Verantwortung.
Föst vertritt den Wahlkreis München-Nord und engagiert sich auch auf Landesebene für eine moderne und zukunftsorientierte Politik in Bayern, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Digitalisierung.
Interview von Oskar Lipert, LEORE - INSTITUTE OF REAL ESTATE ECONOMICS, Augsburg
Die Realisierung der zugesagten 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr stellt eine zentrale Herausforderung dar, die intensiv diskutiert wird. Es ist evident,dass trotz umfangreicher Bemühungen signifikante Hindernisse den Fortschritt in diesem Sektor hemmen. Diese reichen von langwierigen Planungs- und Genehmigungsprozessen bis zu hohen Baukosten und der Komplexität des rechtlichen Rahmens.
In diesem Interview beleuchten wir facettenreich die Komplexität dieser Thematik. Dabei wird deutlich, dass es nicht allein um finanzielle Investitionen und Förderprogramme geht, sondern auch um eine fundamentale Neuausrichtung innerhalb der Bau- und Immobilienbranche. Hierbei kommt der Digitalisierung eine Schlüsselrolle zu, da sie Prozesse beschleunigt und Kosten effizient senkt.
Die Auswirkungen dieser Situation sind offensichtlich: Es herrscht Mangel an Wohnraum, was zu steigenden Wohnkosten und sozialen Spannungen in unserer Gesellschaft führt.
Diese Herausforderung bedarf einer engen Kooperation zwischen Regierung, Bauindustrie und anderen maßgeblichen Akteuren, um kreative Lösungsansätze zu entwickeln und wirkungsvolle Strategien umzusetzen.
Oskar Lipert:
Welche Gründe könnten dazu geführt haben, dass die versprochenen 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr bisher nicht realisiert wurden?
Daniel Föst:
Zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren, ungenutzte Potenziale, zu wenig Bauland, zu viele Regeln, Vorschriften und Normen, aber auch zu hohe Baukosten stellen noch immer enorme Herausforderungen dar. Die zurückgehenden Baugenehmigungen und Fertigstellung zeigen das sehr deutlich. Gleichzeitig führen die aus der Wohnraumknappheit resultierenden steigenden Wohnkosten zu sozialen Spannungen und hohen Belastungen bei Bürgerinnen und Bürgern. Die Wohnraumknappheit dort wo die Menschen wohnen möchten, lässt sich nicht weg regulieren – sie muss behoben werden. Ausreichend neuen Wohnraum werden wir nur schaffen, wenn wir im Regelungsrahmen dafür sorgen, dass mehr, schneller und günstiger gebaut wird.
Oskar Lipert:
Wie beurteilen Sie den aktuellen Fortschritt bei der Schaffung von Wohnraum und den Zeitplan für die Umsetzung der 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr?
Daniel Föst:
Der Wohnungsneubau wurde im vergangenen Jahrzehnt vernachlässigt. Zusätzlich haben der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Energiekrise und die hohe Inflation die Rahmenbedingungen für die Bau- und Immobilienbranche drastisch verschlechtert. Die angestrebten 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr sind eher die untere Grenze dessen, was Deutschland tatsächlich braucht. Die Koalitionsparteien haben bereits auf die neue Situation reagiert und unter anderem 14,5 Milliarden für den sozialen Wohnungsbau mobilisiert, die Abschreibung von 2% auf 3% erhöht, eine Sonderabschreibung für klimagerechten Neubau eingeführt, eine neue Fördersystematik und ein KFW-Programm zur Zinsvergünstigung für den Eigenbedarf eingeführt. Ich bin allerdings der Meinung, dass diese Maßnahmen noch nicht ausreichend sind. Deshalb habe ich zusammen mit der FDP Bundestagsfraktion einen Bau-Booster gefordert, der mit elf konkreten und schnell umsetzbaren Maßnahmen ein neues Momentum im Wohnungsbau auslösen soll.
Oskar Lipert:
Gibt es politische oder bürokratische Hindernisse, die die Realisierung dieser Wohnungen verzögern? Wenn ja, welche sind dies und wie könnten sie überwunden werden?
Daniel Föst:
Der Bau- und Wohnungsmarkt gilt neben dem Gesundheitswesen als der am zweitstärksten regulierte Markt in Deutschland. Unzählige Normen, Regeln und Gesetze machen Bauen langsam und teuer. Dabei liegt auf der Hand, nur wer günstig baut, kann auch günstig wohnen und vermieten. Was wir also brauchen sind schlanke Verfahren, schnelle Prozesse und weniger Regulierung mit dem klaren Ziel der nachhaltigen Baukostensenkung.
Über Jahre wurden immer neue Normen und Vorgaben geschaffen. Statt Neubau zu fördern, hat sich der Staat als Kostentreiber erwiesen. Wenn Baukosten durch staatliche Vorgaben um über 31.000 Euro pro Neubauwohnung steigen, läuft etwas gewaltig schief. Auch die gestiegenen Baulandpreise machen einen wesentlichen Faktor aus, ganz zu schweigen von der Grunderwerbsteuer.
Wir sollten bei einigen Dingen grundsätzlich umdenken. Ich würde z.B. den Baulandbegriff durch das sogenannte Baupotential ersetzen. Das Baupotential schaut nicht nur auf neues Bauland, sondern auch auf Aufstockungen, Umwidmungen – kann ein Hotel nicht auch ein Studentenwohnheim werden? –, Nachverdichtungen und Umbauung. Dies alles müssen wir durch einen einfacheren Regelungsrahmen erleichtern. Das jeweilige Baupotential muss dann die zuständige kommunale Verwaltung transparent ausweisen und bei der Aktivierung unterstützen.
Gegen den Regelungs- und Normungsdschungel haben die Planer und Architekten einen sehr spannenden Vorschlag gemacht, den sogenannten Gebäudetyp E. Beim Gebäudetyp E soll man von Normen und Vorschriften abweichen dürfen, wenn ausschließlich Fachleute am Projekt beteiligt sind und Statik, Brand- und Gesundheitsschutz gewährleistet sind. Ich unterstütze diesen Vorschlag ausdrücklich.
Auch die Digitalisierung wird zur Beschleunigung und Kostensenkung beitragen. Für das sogenannte Building Information Modeling, kurz BIM, werden wir ein Kompetenzzentrum auf den Weg bringen und auch der komplett digitale Bauantrag ist auf einem guten Weg. Ich bin zuversichtlich, dass wir noch in dieser Legislatur voll digitale Antrags- und Genehmigungsverfahren sehen werden.
Oskar Lipert:
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit zwischen Regierung, Bauindustrie und anderen relevanten Akteuren bei der Erfüllung des Ziels von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr?
Daniel Föst:
Der stetige Austausch mit der Wirtschaft, Wissenschaft und insbesondere den Praktikern ist von großer Bedeutung. Oft sehe ich, dass viele Akteure in der Bau- und Immobilienbranche weiter sind als die Politik. Gerade im Bereich Klimaschutz und Baustoffe entstehen derzeit viele neue Innovationen, sei es CO2-armer Beton, ein Ziegelstein, der nicht mehr gebrannt werden muss oder die knopfdruckschnelle Ausweisung von Baupotential. Der Regelungsrahmen und die Zulassungen hinken meistens hinterher.
Wir brauchen eine Fast Lane für klimaschützende Innovationen aus. Zulassungsverfahren werden deutlich verkürzt und das zuständige Deutsche Institut für Bautechnik gestärkt. Hier müssen wir gemeinsam mit den Ländern ran.
Oskar Lipert:
Welche Auswirkungen haben der bisherige Mangel an neuen Wohnungen auf die Gesellschaft und diejenigen, die dringend nach bezahlbarem Wohnraum suchen?
Daniel Föst:
Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. Es liegt in der Verantwortung des Gesetzgebers, einen Rahmen zu setzen, der es ermöglicht, Wohnraum für jedes Segment zu schaffen. Wir wollen die Menschen aber auch dabei unterstützen, Wohneigentum zu erwerben. Finanzminister Christian Lindner verhandelt gerade mit den Ländern über eine Reform der Grunderwerbsteuer, um mehr Menschen Wohneigentum zu ermöglichen.
Wir müssen aber auch noch ganz andere Hürden wie beispielsweise bei der Finanzierung beim Eigentumserwerb abbauen. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt, eigenkapitalersetzende Darlehen einzuführen und damit Schwellenhaushalte beim Eigentumserwerb langfristig zu unterstützen.
Oskar Lipert:
Welche Schritte wurden bereits unternommen, um die Schaffung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr voranzutreiben, und welche Erfolge wurden dabei erzielt?
Daniel Föst:
Allem voran haben wir Freie Demokraten mit dem Bau-Booster bereits ein Konzept vorgelegt, das schnell ein wichtiges Signal für den Wohnungsbau setzen würde. Jetzt liegt es an der Bauministerin, unsere Punkte schnell umzusetzen.
Als Ampel-Regierung haben wir aber auch schon einiges umgesetzt. Mit der Einführung des digitalen Bauantrags sind wir einen guten ersten Schritt gegangen. Damit sparen wir nicht nur Zeit, sondern haben damit den Anfang gemacht, die Baukosten durch weniger bürokratische Hürden zu senken. Wir haben die Neubauförderung neu aufgesetzt und das Bündnis bezahlbarer Wohnraum ins Leben gerufen. Dabei arbeiten Vertreterinnen und Vertreter aus Bund, Ländern, Kommunen, der Immobilienwirtschaft und natürlich auch der Zivilgesellschaft zusammen, um den Bau von Wohnraum zu beschleunigen und die Potenziale im Gebäudebestand weiter zu nutzen. Denn nur gemeinsam können die Ziele erreicht werden.
Oskar Lipert:
Inwiefern spielen finanzielle Investitionen und Förderprogramme eine Rolle bei der Beschleunigung der Wohnungsbauprojekte?
Daniel Föst:
Förderprogramme für den Neubau spielen derzeit noch eine sehr große Rolle. Ich halte es allerdings für zielführender, Bauen einfacher, schneller und digitaler zu machen, anstatt mit Regeln und Anforderungen die Kosten weiter in die Höhe zu treiben und die dann wieder weg zu subventionieren. Da nicht mehr so hohe Finanzmittel zur Verfügung stehen werden, kommt der Staat nicht umhin, den Regelungsrahmen zu verschlanken und so Baukosten zu senken. Bis das aber der Fall ist, sollten wir zum Beispiel Förderungen für Sanierungen, die im Haushalt nicht abgerufen werden, in die Neubauförderung umleiten.
Oskar Lipert:
Welche langfristigen Strategien oder Pläne wurden entwickelt, um sicherzustellen, dass das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr erreicht wird?
Daniel Föst:
Die Position der Freie Demokraten ist klar: Wir brauchen einen echten Bau-Booster und müssen das Baupotential besser nutzen. Im Bestand ist noch viel Potential durch Aufstockung, Umnutzung und Nachverdichtung. Das müssen wir auch in unserer Stadtplanung berücksichtigen. Die Stadt der kurzen Wege mit durchmischten und lebendigen Quartieren muss viel stärker Realität werden. Die immer noch in großen Teil vorherrschende Trennung nach Arbeiten, Wohnen und Erholung ist nicht mehr zeitgemäß.
Genauso werden vertikale Potenziale viel zu wenig ausgeschöpft. Wir werden nicht umhinkommen, höher zu bauen und das Quartier auch mal vertikal zu denken, wie es andere Länder bereits sehr erfolgreich tun. Sinnvoll wäre sicherlich auch, die Dachaufstockung und den Dachausbau von bürokratischen Fesseln zu befreien. Ein guter Anfang wäre eine Genehmigungsfreiheit für den Ausbau von Dachgeschossen einzuführen oder niedrigschwellige Ausnahmen für Bebauungspläne mit Trauf- und Firsthöhenbeschränkung zu ermöglich. Insbesondere durch modulares und serielles Bauen mit Leichtbaumaterialien lassen sich Aufstockungsprojekte binnen kürzester Zeit, wir sprechen hier von ein bis zwei Monaten, realisieren. Hierin liegt die Chance Wohnraum zu schaffen ohne lange Fertigungszeiten und langandauernde Baustellen zu haben.
Oskar Lipert:
Gibt es gute Beispiele aus anderen Ländern oder Städten, die ähnliche Ziele erfolgreich umgesetzt haben? Welche Lehren können daraus gezogen werden?
Daniel Föst:
Mit dem sogenannten Umgebungsgesetz hat die Niederlande vorgemacht, welche Möglichkeiten in der Digitalisierung von Baugenehmigungsverfahren liegen. Man hat damit mehr Transparenz für alle Beteiligten und vor allem eine enorme Verschlankung der Bauvorschriften erreicht. Daran müssen wir uns ein Beispiel nehmen, wie man das Bauplanungsrecht vereinfachen und effizienter zum Ziel kommen kann.
Oskar Lipert:
Wie können Bürgerinnen und Bürger sowie die Öffentlichkeit dazu beitragen, den Druck aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass die versprochenen 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr tatsächlich realisiert werden?
Daniel Föst:
Der Druck ist jetzt schon da. Als Politiker merken wir jetzt schon sowohl von Unternehmen, Verbänden also auch den Bürgerinnen und Bürgern, wie groß der Unmut ist. Bezahlbarer Wohnraum ist die soziale Frage unserer Zeit und besorgt die Leute. Leider ist der vorherrschende Reflex von SPD und Grünen, weiter regulieren zu wollen, anstatt für einen neuen Schwung im Wohnungsbau zu sorgen. Für uns als Freie Demokraten ist klar, dass wir mehr, schneller und günstiger Bauen müssen. Wer also mehr FDP-Politik will, muss also auch mehr FDP-Politik wählen. Wir haben die Konzepte auf den Tisch gelegt und hoffen nun, dass das SPD-geführte Bauministerium diese umsetzt.
Daniel Föst, München / Augsburg / Friedberg. (Foto: Oskar Lipert)
Mitglied des Deutschen Bundestages
Bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion
(Info: Oskar Lipert)
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Überregional - Augsburg
6. Aug 2023 - 14:31 UhrBlick in die überrregionale Politik: Wann kommen die jährlich versprochenen 400.000 neuen Wohnungen? - Interview mit dem Abgeordneten Daniel Föst
Daniel Föst, München / Augsburg / Friedberg. (Foto: Oskar Lipert)
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