Die Rezession hat Baden-Württembergs industriellen Mittelstand voll im Griff. Die Unternehmen stehen deutlich schlechter da als vor einem Jahr. Auch wenn sich die Geschäftslage der Unternehmen zuletzt geringfügig aufgehellt hat, wartet Baden-
Württembergs Industrie lieber vorsichtig ab. Das ist das Ergebnis der Konjunkturumfrage der Schwarzwald AG zum Jahr 2024, die am heutigen Donnerstag bei der Taifun-Tofu GmbH in Freiburg vorgestellt wurde.
wvib-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer: „Alle warten sehnsüchtig auf die Wirtschaftswende – wir können sie noch nicht vermelden. Im Gegenteil: Wir müssen in diesem Jahr mit einem weiteren Rückgang rechnen. In anderen Ländern muss die Industrie weniger Steuern zahlen, hat geringere Kosten und kann auf funktionierende und schnelle Verwaltungen zählen. Deutschland ist zu alt, zu teuer, zu kompliziert, zu schwerfällig. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hängen der deutschen Industrie wie ein Mühlstein am Hals.“
Für das Gesamtjahr 2024 meldeten die wvib-Mitgliedsunternehmen ein Umsatzminus von 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Gesamtjahr 2023 wurde ein nominales Umsatzwachstum von 3,1 Prozent vermeldet.
Rund 62,8 Prozent der befragten Unternehmen meldeten gesunkene Umsätze. Im Jahr 2023 verzeichneten nur 38,9 Prozent der Unternehmen rückläufige Umsätze. Bei nur 34 Prozent der Befragten sind die Umsätze im vergangenen Jahr angestiegen. Vor einem Jahr meldeten noch 57,3 Prozent ein Umsatzplus.
Die Geschäftserwartungen verharren weiter auf ihrem niedrigem Niveau: 22,2 Prozent rechnen in den nächsten sechs Monaten mit steigenden Umsätzen (Januar 2024: 22,1 Prozent). 51,1 Prozent erwarten keine Veränderung. Mit einem Umsatzrückgang rechnen rund 26,7 Prozent. Vor einem Jahr rechneten 34,6 Prozent mit einem Umsatzrückgang.
Verrechnet man positive und negative Umsatzentwicklung, so erhält man einen Wert für die Geschäftslage der Unternehmen. Analog dazu ist die Geschäftserwartung der Saldo aus positiver und negativer Umsatzerwartung. Aus dem Mittel zwischen Geschäftslage und Geschäftserwartung bildet sich das wvib-Geschäftsklima.
Das wvib-Geschäftsklima liegt derzeit bei minus 17 Punkten. Vor einem Jahr lag dieser Index mit 2,3 Punkten im Plus. Vor drei Monaten lag der Wert mit 29 Punkten deutlich tiefer im Minus.
Der Wert zur Geschäftslage (minus 28,7 Punkte) ist deutlich schlechter als vor einem Jahr (18,4 Punkte). Der Wert der Geschäftserwartung ist mit minus 4,5 Punkten zwar besser als vor einem Jahr (minus 12,5 Punkte), verharrt allerdings weiter unter dem Nullpunkt. Spannend ist auch der Vergleich mit der Umfrage von vor drei Monaten: Damals lagen Geschäftslage (minus 38,7 Punkte), Geschäftserwartung (minus 21,6 Punkte) und Geschäftsklima (minus 29 Punkte) bedeutend tiefer im Minus.
Betrachtet man das Geschäftsklima im Detail, zeigen sich bei den einzelnen Branchen deutliche Unterschiede. Bei den Zulieferern im wvib-Branchencluster Automotive schlägt sich die Krise der Branche drastisch nieder: Mit minus 41,8 Punkten liegt das Geschäftsklima deutlich unter dem der Gesamtumfrage. Vor einem Jahr lag das Minus nur bei 2,7 Punkten. Mit 6,2 Prozent Umsatzminus liegt die Branche auch bei diesem Indikator unter dem Gesamtwert.
Im Cluster Maschinenbau ist das Geschäftsklima mit minus 12 Punkten dagegen etwas besser als im Rest der Industrie. Mit minus 3,6 Prozent Umsatzminus liegt das Cluster auch leicht über dem Gesamtwert.
Bei der Medizintechnik ist das Geschäftsklima mit 0,4 Punkten sogar im positiven Bereich – was sich vor allem aus gestiegenen Erwartungen speist. Mit 3,7 Prozent Umsatzminus schreibt auch diese Branche derzeit rote Zahlen.
Besonders pessimistisch sind die Unternehmen der Kunststoff-
Branche. Das Umsatzminus liegt zwar lediglich bei 5,8 Prozent – das Geschäftsklima ist mit 33,7 Punkten aber deutlich im Minus.
Metallverarbeitende Unternehmen wie Drehereien oder Umformbetriebe leiden ebenfalls: Das Umsatzminus lag im vergangenen Jahr mit 6,5 Prozent deutlich unter dem allgemeinen Wert. Das Geschäftsklima ist mit minus 30,3 Punkten ebenfalls vergleichsweise trüb.
Beim Frühindikator Auftragseingang macht sich bemerkbar, dass es bis zum Aufschwung noch etwas dauern wird. In den vergangenen zwölf Monaten ist der Auftragseingang in den Unternehmen der Schwarzwald AG um ein Prozent zurückgegangen. In der Umfrage zum ersten Halbjahr lag der Wert bei minus 3,9 Prozent. Vor einem Jahr vermeldeten die befragten Unternehmen ein Minus von 4,1 Prozent.
Bei 38,7 Prozent hat sich der Auftragseingang im Vergleich zum Vorjahr verbessert (2023: 31,6 Prozent), bei 45,4 Prozent dagegen verschlechtert (2023: 54,1 Prozent).
22,3 Prozent der befragten Unternehmen erwarten in den nächsten sechs Monaten steigende Auftragseingänge (Januar 2024: 26,2 Prozent). 23,4 Prozent rechnen damit, dass der Auftragseingang eher zurückgehen wird (Januar 2024: 29 Prozent). 54,3 Prozent rechnen mit stagnierendem Auftragseingang.
Die Ertragslage beurteilen nur noch 17,5 Prozent der Befragten mit gut (Januar 2024: 29,1 Prozent). 30,5 Prozent der Befragten bezeichnen die Ertragslage dagegen als schlecht (Januar 2024: 22,1 Prozent). Als befriedigend wird die Ertragslage von knapp 52 Prozent der Unternehmen beschrieben (Januar 2024: 48,8 Prozent).
18 Prozent rechnen damit, dass sich die Ertragslage in den nächsten sechs Monaten verbessert. Vor einem Jahr gingen 18,3 von einer Verbesserung aus. Rund 25 Prozent rechnen mit sinkenden Erträgen – vor einem Jahr waren es 26,5 Prozent.
In der Krise dauert es, bis Unternehmen beim Personal den Rotstift ansetzen. Zu stark schien der Fachkräftemangel. Die wvib-Konjunkturumfrage zeigt: Stellenabbau-Schlagzeilen sind keine isolierten Einzelfälle. 53,3 Prozent der befragten Unternehmen geben an, im vergangenen Jahr die Zahl der Beschäftigten reduziert zu haben (2023: 43,3 Prozent). 34,8 Prozent vermeldeten einen Anstieg der Beschäftigten – vor einem Jahr gaben 41,4 Prozent der Unternehmen an, ihre Belegschaft aufgestockt zu haben.
Die Prognosen bleiben auch hier durchwachsen bis schlecht: Nur noch 16,4 Prozent rechnen in den nächsten sechs Monaten mit mehr Beschäftigten (Januar 2024: 20 Prozent), während 26,2 Prozent davon ausgehen, dass der Personalstamm eher sinken wird (Januar 17,6 Prozent). Zum Vergleich: Im Januar 2023 gingen lediglich 7 Prozent von einem Rückgang der Beschäftigten aus. 57,5 Prozent erwarten, dass die Zahl der Mitarbeiter gleich bleiben wird.
Die wohl eindrücklichste Zahl ist jene zur Auslastung der Unternehmen: 74,7 Prozent der befragten Unternehmen vermeldeten eine schlechte Auslastung der Produktionskapazitäten. 20 Prozent gaben eine eher durchschnittliche Auslastung an. Lediglich 5,3 Prozent melden eine hohe Auslastung. Vor einem Jahr lagen die Anteile bei 61, 29 und 10 Prozent.
Die Investitionsquote der Unternehmen bleibt mit 6,1 Prozent relativ stabil. Vor einem Jahr lag diese bei 5,8 Prozent.
In unserer Zusatzfrage haben wir die Chefinnen und Chefs der Schwarzwald AG gefragt, welche Maßnahmen sie für notwendig halten, um Deutschland wieder aus der Krise zu führen. Die Antwort Verbesserung der Rahmenbedingungen – Steuersenkungen für Unternehmen und Privatpersonen, Abbau von Regulierung, Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren findet die Zustimmung von 100 Prozent der Befragten. Eine Verbesserung der Nachfragebedingungen, also eine Erhöhung des Mindestlohns, Stabilisierung des Rentenniveaus oder eine Lockerung der Schuldenbremse halten 23,5 Prozent der Befragten für notwendig – von 76,5 Prozent wird eine nachfrageorientierte Politik dagegen als nicht notwendig betrachtet. Eine Stärkung der nationalen Souveränität samt Wiedereinführung der D-Mark, einem Austritt aus der EU und der drastischen Beschränkung von Migration und Asyl wird von 94,5 Prozent der Befragten abgelehnt.
Welche Koalition könnte diese Maßnahmen am besten umsetzen? Das Ergebnis auf diese Frage ist eindeutig: 66 Prozent trauen einer schwarz-gelben Koalition die größte Reformkraft zu. Eine schwarz-grüne Koalition erhält 14 Prozent Zustimmung, eine große Koalition halten lediglich neun Prozent der Befragten für zielführend.
Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie – die Frage „Wann wird sich Deutschland ökonomisch wieder erholen?“ gehört zum festen Repertoire der wvib-Konjunkturumfrage.
Die Erkenntnis: Die Unternehmer haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben – aber der Aufschwung verschiebt sich. Vor sechs Monaten rechneten 30 Prozent mit einem Aufschwung im ersten Halbjahr 2025 – heute glauben nur noch 1 Prozent der Befragten daran.
17 Prozent rechnen damit, dass es im zweiten Halbjahr 2025 wieder besser gehen wird, (zuvor: 15,8 Prozent) 29 Prozent rechnen Anfang 2026 wieder mit einer positiven Entwicklung, 14 Prozent verorten den Aufschwung in der zweiten Hälfte des Jahres 2026. 12 Prozent glauben, dass sich die Krise länger ziehen wird – zuvor waren es 3,7 Prozent. Immerhin 28 Prozent halten die Schwächephase für kein vorübergehendes Phänomen. Vor sechs Monaten haben diese Antwort 24 Prozent der Befragten gewählt, vor einem Jahr waren es lediglich 16 Prozent.
Das Fazit von wvib-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer: „Die Industrie blickt gespannt auf den Ausgang der Bundestagswahl – aber auch Trumps Handelspolitik und die Lage in China hinterlassen Fragezeichen. Trotz Wirtschaftswarntag ist der Ernst der Lage noch nicht wirklich im Wahlkampf angekommen. Die Parteien versprechen munter Wohltaten, welche die Krise eher verschärfen würden. SPD und Grüne wollen der Wirtschaft immer noch mit bevormundenden Subventionen – Stichwort Deutschlandfonds und -prämie – ins Lenkrad greifen. Das ist nicht nur ordnungspolitischer Unsinn. Es ist in der wirtschaftlichen Lage schlicht fahrlässig.“
(Presseinfo: Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden e.V., 30.01.2025)
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Gesamte Regio - Freiburg
30. Jan 2025 - 18:42 UhrDie Industrie sendet SOS - Aus der Konjunktur-Pressekonferenz der wvib Schwarzwald AG in Freiburg

Die Industrie sendet SOS.
Standen der Presse Rede und Antwort (von links): Siegfried Kurek (HEB Hydraulik-Elementebau GmbH), Bert Sutter (wvib-Präsident und Sutter Medizintechnik GmbH), Christoph Münzer (wvib-Hauptgeschäftsführer) und Jesús Bastante (Taifun-Tofu GmbH).
Foto: Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden e.V.
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