Wider das Vergessen und Wunsch nach Frieden – Gedenkfeier im Lager Gurs am Fuße der Pyrenäen unter dem Eindruck des aktuellen Nahost-Konflikts - Emmendingen übernahm die inhaltliche Ausgestaltung des Gedenkens.
In das Camp de Gurs, ein Lager am Fuße der Pyrenäen, verschleppten die Nazis vom 22. Bis 24. Oktober 1940 über 6500 Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und aus dem Saarland. Viele von ihnen, vor allem Ältere, überlebten die unmenschlichen Zustände im Lager nicht. Ein Drittel der Deportierten wurde weiter in die Vernichtungslager im Osten geschickt und dort umgebracht. Für sie wurde Gurs zur „Vorhölle von Auschwitz“.
Zum Gedenken an die Opfer hatte der „Verband der jüdischen Gemeinschaften der Basse-Pyrénées“ bereits 1945 den Deportiertenfriedhof in Gurs als Mahnmal errichtet, der leider zunehmend verwilderte. Im Jahr 1957 ergriff der damalige Karlsruher Oberbürgermeister Klotz die Initiative zu Instandsetzung und Pflege der Gedenkstätte. Die badischen Städte, Gemeinden und Kreise, aus denen jüdische Mitbürgerinnen und -bürger nach Gurs deportiert und dort begraben wurden, brachten die Gesamtkosten für die Neugestaltung auf.
Seither werden die Kosten zum Erhalt gemeinsam getragen. Die Stadt Emmendingen trat im Jahr 2000 der „Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs Gurs“ bei, der auch die kontinuierliche Gedenkarbeit wichtig ist.
Alljährlich lädt die Arbeitsgemeinschaft der Städte, aus denen die Menschen 1940 nach Gurs transportiert wurden, gemeinsam mit dem Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden zu einer Gedenkveranstaltung nach Gurs ein, damit das Leiden in den Lagern nicht vergessen und die Erinnerung an das Ausmaß des nationalsozialistischen Terrorregimes als Mahnung von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Deshalb werden auch Jugendliche zur Teilnahme eingeladen, um der jüngeren Generation die geschichtlichen Ereignisse nahe zu bringen. Sie bereiten sich in eigenen Seminaren und während einer Jugendfahrt im Vorfeld auf die Gedenkveranstaltung vor.
In diesem Jahr übernahm die Stadt Emmendingen die inhaltliche Ausgestaltung des Gedenkens. Oberbürgermeister Schlatterer leitete die Delegation aus dem Saarland, der Pfalz und Südbaden. Von deutscher Seite aus waren insgesamt mehr als 50 Personen aus den Mitgliedsstädten, von der Israelitischen Religionsgemeinschaft, Generalkonsulin Stefanie Zeidler und Staatssekretärin Boser aus dem Landeskultusministerium dabei.
Die Reden auf dem Deportiertenfriedhof standen ganz im Zeichen der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten. Oberbürgermeister Schlatterer: „Wir sind verpflichtet dafür zu sorgen, dass jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen in Deutschland sicher leben können. Gerade unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten ist es unserer Pflicht, dem Antisemitismus entschieden entgegen zu treten.“
Rami Suliman, Vorsitzender des israelitischen Oberrates in Baden, schilderte eindrücklich persönliche Erfahrungen ‒ seine Schwester lebt in der Nähe des Gaza-Streifens und hat das Verschleppen von Menschen aus der Nachbarschaft miterlebt. Sie selbst hat in einem Schutzraum überlebt. Israel sei kein Zufluchtsort mehr. Juden und Jüdinnen erlebten zum zweiten Mal in der jüngeren Geschichte ihre Vertreibung.
Yaakov Yosef Yudkowsky, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Emmendingen, führte aus, dass von gläubigen Jüdinnen und Juden im Totengebet ‒ wie im muslimischen „Allahu Akbar“ ‒ die Worte „Gott ist groß, sein großer Name werde erhoben und geheiligt“ gesprochen werden, aber immer der Nachsatz folgt: „Gott soll uns Frieden schicken“.
Ein Ende der schrecklichen Angriffe der Terrororganisation Hamas auf Israel und Frieden im Nahen Osten wünschten sich alle Beteiligten.
Anlass zur Beunruhigung war auch ein antisemitisches Flugblatt, das wenige Wochen zuvor in Gurs im Umlauf war und die Sorge ausgelöst hatte, dass es zu rechtsextremen Übergriffen auf den Friedhof kommen könnte. Entsprechend stark war die diesjährige Trauerzeremonie durch Polizisten und Soldaten geschützt.
Das inhaltliche Gedenken hatten Emmendinger Jugendliche unter Mithilfe des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur gestaltet. Sie erinnerten an das Schicksal von Rolf Weinstock, der als einziger der nach Gurs Deportierten nach Emmendingen zurückgekehrt war. Er starb 1952 als 32-Jähriger an den Spätfolgen der erlittenen Verletzungen. Außerdem wurde das Schicksal der Geschwister Eleonore und Horst Grünebaum nachgezeichnet ‒ vertrieben aus der Mundinger Straße 19 leben sie heute in San Bruno in der Nähe von San Francisco.
Monika Miklis und Carola Grasse vom jüdischen Verein für Geschichte und Kultur führten durch die Veranstaltung und stellten anschaulich die intensive Erinnerungsarbeit in Emmendingen vor.
Für die Jüdische Gemeinde Emmendingen wurde die Delegation von Ruslan Manashirov begleitet, da die Vorsitzende Olga Maryanovska die Reise leider krankheitsbedingt nicht antreten konnte.
Kultusstaatssekretärin Sandra Boser enthüllte zum Abschluss auf dem Friedhof der Stadt Pau ein Denkmal zur Erinnerung an die südwestdeutschen, nach Frankreich deportierten Opfer des Nationalsozialismus. Auch das Lagergelände in Gurs wurde besichtigt.
Mit dieser Gedenkveranstaltung wurde nicht nur der Toten gedacht, sondern auch ein Zeichen für Gegenwart und Zukunft gesetzt. Oberbürgermeister Schlatterer: „Wir müssen darauf achten, dass neu erstarkende faschistische und nationalistische Kräfte nicht unser Miteinander in Europa bedrohen. Das sind die Aufgabe und der Auftrag, die sich aus den schrecklichen Geschehen in Gurs für die Gegenwart und die Zukunft ergeben.“
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26. Oct 2023 - 22:25 UhrWider das Vergessen und Wunsch nach Frieden – Gedenkfeier im Lager Gurs am Fuße der Pyrenäen unter dem Eindruck des aktuellen Nahost-Konflikts - Emmendingen übernahm die inhaltliche Ausgestaltung des Gedenkens.
Oberbürgermeister Stefan Schlatterer spricht auf dem Deportiertenfriedhof in Gurs am 22. Oktober 2023.
Foto: Stadt Emmendingen.
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